Ingo Naujoks kennt man als vielseitigen Schauspieler auf der Bühne wie auf der Leinwand. Bis 2010 spielte er als Martin den Mitbewohner der Tatort-Kommissarin Charlotte Lindholm. Früher wollte er Tierpräparator werden, später trat er als Punk-Musiker auf. Aktuell zieht der Wahlberliner seit 9 Jahren als Kriminaldirektor in der ADR-Vorabendserie „Morden im Norden“ in deutsche Wohnzimmer ein. Die 8. Staffel wird ab Herbst 2021 ausgestrahlt.
RMM: Guten Morgen Herr Naujoks. Haben Sie gut geschlafen?
Ingo Naujoks: Naja. Es ist Montagmorgen. Ich habe das Wochenende zuhause bei meiner Familie verbracht. Der Wochenstart ist dann meist mit etwas Heimweh verbunden. Wir drehen die Serie immer von Montag bis Freitag, meist mehr als ein halbes Jahr durch. Im Sommer ist das ganz ok. Wenn der dunkle Winter kommt, hat das Ganze eine andere Qualität. Wenn wir dann Leichen im Wald oder im Fluss suchen müssen und den ganzen Tag im Gebüsch stehen, haben die Drehs kein großes Romantikpotenzial mehr.
RRM: Wo erwische ich Sie gerade? Sind Sie schon am Set?
Ingo Naujoks: Nein, ich bin in meinem Hamburger Hotelzimmer. Das ist jetzt Corona bedingt leider alles ganz anders. Es gibt keinen gemeinsamen Frühstücks-Spot mehr, und wir müssen auch in den Pausen Abstand halten. Wenn man sich als Team so lange kennt ist man auch unter Kollegen befreundet. Wir nehmen uns schon mal ganz gerne in den Arm und drücken uns. Die Maske dürfen wir nur bei den Aufnahmen abnehmen. Manchmal erkennt man erst dann, mit wem man überhaupt dreht. Das ist schon etwas skurril.
RRM: Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen Schauspieler zu werden?
Ingo Naujoks:
Ich habe schon früher gerne vor dem Fernseher gesessen. Meine Eltern waren wahrscheinlich froh, dass ich dann „ruhig“ war. Damals habe ich allerdings gedacht, Schauspieler sind quasi einfach da, so wie Bäume, die wachsen einfach. In der Theater AG der Schule habe ich meine erste Rolle in einer Komödie bekommen und festgestellt, dass es Spaß macht zu improvisieren, Timing zu finden, witzig, tragisch oder eloquent zu sein. Ein tolles Hobby also. Erst als ich in eine freie Theatergruppe eintrat, weil mich die Bochumer Schauspielschule nicht nehmen wollte, wurde Schauspielern langsam zum Beruf.
RRM: Als Autodidakt haben Sie bei der professionellen Gruppe „Theater Kohlenpott“ eine Lehre gemacht, wie Sie es selbst beschreiben.
Ingo Naujoks: Ja, dort habe ich alles gemacht: Aufbau, Technik, geschrieben, inszeniert. Dafür gabs einmal im Monat eine Pizza Margherita. Als ich nach vier Jahren ein Engagement am Theater in Moers annahm, wo ich endlich Geld verdienen konnte, wurde ich quasi als Verräter beschimpft.
RRM: Wie kam es dann zum ersten Engagement beim Film in der Bergarbeiter-Saga „Rote Erde“?
Ingo Naujoks: Es wurden damals Darsteller gesucht, die noch die Ruhrgebietssprache sprechen. Mein Vater Stahlkocher, meine Mutter Hausfrau, da war ich natürlich der Junge vom Pott. Ich habe mich beworben und 1989 meine erste Fernsehrolle in der 2. Staffel bekommen. Scheinbar habe ich mich nicht ganz blöd angestellt und bekam immer wieder kleine Filmrollen, die mit der Zeit immer größer wurden. Wenn Till Schweiger zu teuer ist, habe ich immer gedacht, dann bist du dran (lacht..). Nein, ich habe eigentlich eher Looser gespielt, nicht so was richtig Brutales. Oft denjenigen, der zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. So bin ich durch alle Genres durchgewandert, durch Krimis, Soap, Komödie… was man so alles spielen kann.
RRM: Nach Kinofilmen wie „Karniggels“ und „Schlafes Bruder“ waren Sie acht Jahre als Mitbewohner der Tatortkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) zu Gast in deutschen Wohnzimmern (2002-2010). Hatten Sie jemals eine Lieblingsrolle?
Ingo Naujoks: In „Die Straßen von Berlin“, eine der ersten deutschen Action-Krimi-Reihen, ging es richtig zur Sache. Mit Bombenangriffen und Terroristen, das hat richtig Spaß gemacht, da haben wir es krachen lassen. Und dann gab es „Bewegte Männer“, das ist eine zuckersüße Geschichte um eine Schwulen-WG. Für meine Rolle als „Frank“ in der Schwulenkomödie habe ich 2004 den Deutschen Comedypreis bekommen.
RRM: Seit 2012 sind Sie als Ermittler Lars Engelen zusammen mit Sven Martinek (Finn Kiesewetter) in der ARD-Serie „Morden im Norden“ zu sehen. Ende vergangenen Jahres wurde die 100. Folge ausgestrahlt. Was reizt Sie daran?
Ingo Naujoks: Wir wussten am Anfang der Serie noch nicht genau, wohin sie sich entwickeln soll. Witzig, kriminell, skurril… wir haben viel experimentiert. Dann sind wir auf den Dreh gekommen, den „Fall“ wieder ernst zu nehmen. Wir beschäftigen uns mit Menschen, die zur falschen Zeit am falschen Ort die falsche Sache machen. So wird die Hausfrau und Mutter zweier Kinder zur Mörderin. Oder der Vater, der in seiner Not eigentlich nur Geld besorgen wollte, wird zum Kriminellen. Die Zuschauer mögen es gerne, dass wir nicht nur Verbrecherkarrieren aufzeigen, sondern dass eine Sache aus dem Ruder laufen kann, eskaliert… und später nicht mehr gut zu machen ist. Seitdem wir solche Geschichten erzählen sind wir bei den Leuten angekommen.
RRM: Lernen Sie eigentlich Ihre Texte noch immer in Bewegung“?
Ingo Naujoks: Ja, ich eigne mir einen eigenen Rhythmus an. Gehe zur Kaffeetasse, mache eine Schublade auf oder schaue unter das Sofa… versuche den Text sozusagen aus dem Lameng heraus zu spielen. Das ist lebensechter. Als Schauspieler spricht man seinen Text ja auch nicht auf dem Stuhl sitzend.
Wie halten Sie es sonst mit Bewegung?
Ingo Naujoks: Ich bin kein Leistungssportler, aber zwei, dreimal die Woche sieht man mich schon im Gym. Mein kleines 50er-Mann-Bäuchlein kommt mittlerweile zum Vorschein, und ich möchte nicht als Bulle von Tölz in die Analen eingehen. Außerdem muss ich ja auch Verbrechern nachjagen und schnell aus einem Auto aussteigen, da will ich nicht wie der Gurkenkönig aussehen. Älterwerden ist hart, das ist nichts für Weicheier.
RRM: Anfang 2020 haben Sie in München mit Ihrem Serien-Partner Sven Martinek in der Drehpause zusätzlich sieben Wochen Theater gespielt.
Ingo Naujoks: Ich sehe Sven tatsächlich häufiger als meine Frau. Wenn wir nicht so eine gewissenhafte Sozialhygiene betreiben würden, also nicht neben dem Job auch noch Tag und Nacht zusammen verbringen, dann würden wir uns sicher auf die Nerven gehen. Wir können uns aufeinander verlassen und haben denselben Humor. Auf die Bühne des Bayerischen Hofs in der romantischen Komödie „Trennung frei Haus“ hat uns der Regisseur Bernd Schadewald „gelockt“, von dem ich ein großer Fan bin.
RRM: Sie sind ein Harmoniemensch und Sie genießen den guten Kontakt zu Ihrer Familie. Gibt es etwas, was Sie Ihren Kindern unbedingt mit auf Ihren Lebensweg geben möchten?
Ingo Naujoks: Meine Kinder sind ja schon groß… Mein Sohn ist pubertierende 14 Jahre alt und geht langsam seinen eigenen Weg. Er ist ein Papa-Kind. Früher haben wir viel Fußball und Cowboy & Indianer gespielt. Meine Tochter ist 24 Jahre alt, lebt mit Ihrem Freund und hat eine kaufmännische Ausbildung gemacht in dem Geschäft meiner Frau. Dort hat sie außergewöhnliches geleistet, von 0 auf 100, dafür habe ich sie sehr gelobt. Jetzt ist sie wieder neugierig auf Schule geworden und möchte ihr Abitur machen. Und wenn sie nun ein anderes Abenteuer, ein Abenteuer Bildung, erleben möchte, unterstütze ich das gerne. Ich war ja früher auch Abenteurer.
Unsere Kinder werden so erzogen, dass wir ihnen das, wovon sie träumen und woran sie glauben, auch ermöglichen möchten. Träumt, und wenn es geht erfüllt euch die Träume. Das geben wir unseren Kindern mit.
RRM: Wann werden unsere Leser Sie in einer neuen Produktion wieder auf dem Bildschirm erleben können?
Ingo Naujoks: Durch Corona haben wir im letzten Jahr vier Folgen nicht geschafft und werden diese ab Mai nachdrehen. Gleich daran schließen sich 12 weitere Folgen. Wir drehen also wieder bis Dezember 2021.