Kurz vor der Frauenfußball-WM 2019 sorgten die DFB-Frauen mit einem so frechen wie selbstbewussten TV-Spot für Furore: „Wir brauchen keine Eier – wir haben Pferdeschwänze“. Warum die Bundestrainerin darin beispielsweise an einer Tasse nippt? Es ist ein Seitenhieb auf den ersten EM-Titel der deutschen Frauen-Fußballelf 1989, bei dem es vom DFB ein Kaffeeservice als Prämie gab. Mit dem Spot warben die Fußballerinnen für die bevorstehende Fußball-WM in Frankreich, die für sie zwar mit einem frühen Ausscheiden endete, aber zeigt, dass sich die Spielerinnen mit großem Selbstvertrauen auf den Rasen begeben. Das Rhein-Ruhr-Magazin sprach mit Martina Voss-Tecklenburg über Frauenfußball im Allgemeinen sowie ihre persönlichen Erfahrungen als Spielerin und Trainerin.
RRM: Frau Voss-Tecklenburg, wie sehr ärgert es Sie, dass die Frauennationalmannschaft ständig mit den männlichen Fußballkollegen verglichen wird?
Martina Voss-Tecklenburg: Ich halte gar nichts von Vergleichen. Davon wollen wir gänzlich wegkommen. Wir haben unser Publikum, das sich für Frauenfußball interessiert und respektiert, dass hier ambitionierte Spitzensportlerinnen und starke Persönlichkeiten auf dem Platz stehen. Unser Spot 2019 hat unsere Einstellung deutlich gemacht.
RRM: Wie erleben Sie die Spielerinnen der Nationalmannschaft, deren Trainerin Sie seit nunmehr zwei Jahren sind?
Martina Voss-Tecklenburg: Die Spielerinnen sind selbstbewusst und leisten extrem viel. Ihre Einstellung ist hochprofessionell, aber sie werden nicht hochprofessionell bezahlt. Viele planen daher eine duale Karriere. Sie studieren oder absolvieren eine Ausbildung, was bedeutet, dass sie sehr gut organisiert und strukturiert sein und viel Disziplin aufbringen müssen. Das prägt sicherlich die Persönlichkeit. Was die Sporthilfe betrifft, sind im Vergleich zu früher große Fortschritte gemacht worden. Die Nachwuchsförderung erfolgt nach einem sehr guten Konzept, das mich für die Zukunft des Frauenfußballs in Deutschland optimistisch stimmt.
RRM: Und wenn Sie an Ihre aktive Zeit zurückdenken? Wie sind Sie überhaupt zum Fußball gekommen?
Martina Voss-Tecklenburg: Ich bin in Duisburg geboren und habe in den 1980ern mit meinen Brüdern und Freunden in Meiderich auf der Straße gespielt und immer die Bälle zurückgeschossen. Damals hieß es noch „Fußball ist nichts für Mädchen“. Ich habe also nie im Verein gespielt, bis ich 15 war. Damals hat mein Sportlehrer ein Probetraining beim KBC Duisburg vereinbart und ich bin gleich genommen worden. Danach ging es mit der Karriere steil bergauf. Obwohl ich auch in anderen Sportarten wie beispielsweise Tischtennis gut war, war und ist Fußball jedoch meine Leidenschaft. Was mich immer angetrieben hat, war der Wille, unbedingt zu gewinnen. Ich war nach dem Abitur und einer kaufmännischen Lehre beim Landessportbund NRW froh, dass ich unbezahlten Urlaub bekam, um Fußball spielen zu können. Fünf Jahre lang bin ich jährlich 80.000 km von meinem Wohnort zu meinem damaligen Verein gefahren … Und heute habe ich meinen Traumjob. Ich betrachte es als Privileg, Bundestrainerin der deutschen Nationalmannschaft zu sein.
RRM: Was sind die nächsten Ziele?
Martina Voss-Tecklenburg: 2022 ist die EM in Großbritannien. Dann folgt 2023 die WM, die Olympischen Spiele 2024 … und ich würde mich riesig freuen, wenn wir gemeinsam mit Belgien und der Niederlande den Zuschlag für die Frauen-WM 2027 bekommen würden.
Kurz-Vita Martina Voss-Tecklenburg
• geb. 22.12.167 in Duisburg
• 4 Europameistertitel als Spielerin 1989, 1991, 1995 und 1997
• Vizeweltmeisterin 1995
• Vielfache Deutsche Meisterin mit den Vereinen KBC Duisburg, TSV Siegen, FCR Duisburg
• Viermal Gewinn des DFB Pokals 1983, 1989, 1993 und 1998
• Deutschlands „Fußballerin des Jahres“ 1996 und 2000
• Verschiedene Trainertätigkeiten von 2003 – 2011
• Schweizer Nationaltrainerin von 2012 bis 2017
• seit 30.11.2018 Bundestrainerin der Frauen-Nationalmannschaft
• Martina Voss-Tecklenburg ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter