23. November 2024

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Fotoausstellung von Dirk Reinartz – Fotografieren, was ist

LVR-LandesMuseum Bonn zeigt erstmals Werk des Fotografen Dirk Reinartz in großer Retrospektive – 16. Mai bis 15. September 2024

Dirk Reinartz war unbestritten einer der bedeutendsten Bildjournalisten und Reportagefotografen der späten Bundesrepublik und des wiedervereinigten Deutschlands. Unter dem Titel „Dirk Reinartz. Fotografieren, was ist“ widmet das LVR-LandesMuseum Bonn dem Ausnahmefotografen zusammen mit der Deutschen Fotothek, Dresden, und der Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg, vom 16. Mai bis zum 15. September 2024 eine umfangreiche Retrospektive, die erste seit seinem frühen Tod vor zwanzig Jahren. 

Dirk Reinartz – 1947 in Aachen geboren – hat die Reportagefotografie und fotografische Dokumentation in Deutschland geprägt wie wenige vor und nach ihm. Drei Jahre nach der Übergabe des Nachlasses an die Deutsche Fotothek und die Stiftung F.C. Gundlach würdigt das LVR-LandesMuseum Bonn das einzigartige Werk des 2004 verstorbenen Fotografen und gibt erstmals Einblicke in alle Schaffensphasen. Die überwiegend in Schwarzweiß gehaltenen Fotografien von Dirk Reinartz zeichnen sich durch eine unverkennbar präzise Bildsprache mit teils subtilem Humor aus, wodurch es ihm gelang, gesellschaftspolitische Entwicklungen seiner Zeit und konkrete Lebenssituationen von Menschen in pointierten, feinsinnigen fotografischen Erzählungen festzuhalten.

Die Ausstellung – Spuren eines Lebenswerks   

Rund 350 fotografische Arbeiten sowie zahlreiche bislang unveröffentlichte Archivdokumente bezeugen das herausragende bildjournalistische und fotografische Wirken von Dirk Reinartz. Von ersten Studienarbeiten von der Folkwangschule für Gestaltung in Essen über frühe Fotoreportagen und Auslandsreisen etwa für den Stern, die Magazine der ZEIT und der Süddeutschen Zeitung und die Kunstzeitschrift art wird der Bogen gespannt bis zu seinen zahlreichen freien Bildserien und Publikationen, darunter Kein schöner Land (1989) und Besonderes Kennzeichen: Deutsch (1990). Präsentiert wird das fotografische Lebenswerk entlang fünf thematischer Spannungsfelder, die Dirk Reinartz zeit seines Lebens beschäftigt haben: Nähe – Ferne, Macht – Ohnmacht, Geschichte – Gegenwart, deutsch – deutsch, Amerika – America. Ergänzt werden die Themenbereiche um zwei Exkurse: das Projekt totenstill (1994), das auf eindringliche Weise architektonische Relikte ehemaliger nationalsozialistischer Konzentrationslager in den Blick nimmt, sowie Bildserien zu den Skulpturen des amerikanischen Bildhauers Richard Serra, mit dem Reinartz eine langjährige Freundschaft verband.

Menschen, Absurditäten und die Suche nach einer deutschen Identität

Dirk Reinartz war ein aufmerksamer Beobachter seiner Zeit. Er suchte im Vertrauten das Fremde und im Fremden das Vertraute. So schilderte er etwa in einer Bildserie die Zerrissenheit einer Gastarbeiterfamilie, die aus Deutschland in ihre türkische Heimat zurückkehrt, oder setzte sich in Dokumentationen und Publikationen wie in seinem Fotobuch Deutschland durch die Bank (1997) mit der Veränderung sozialer Lebenswelten im wiedervereinten Deutschland auseinander. Dem Thema Macht und Ohnmacht widmete Reinartz zahlreiche Reportagen vom Personenkult um den Diktator Nicolae Ceauşescu bis zur Einsamkeit von Menschen in anonymen Hochhaussiedlungen. Reinartz war stets auf der Suche nach Motiven, in denen sich eine deutsche Identität zu erkennen gibt, mit all ihren Widersprüchen und historischen Verankerungen. So lotete er in Publikationen wie Bismarck. Vom Verrat der Denkmäler (1991) oder totenstill (1994) die Dimensionen deutscher Erinnerungskultur und das Fortdauern der Vergangenheit im Gegenwärtigen aus. Mit feinem Humor entlarvte er in seinem Fotobuch Deutschland durch die Bank (1997) die Absurditäten urbaner Stadtraummöblierung. Auch während seiner Reisen in die USA in den 1970er Jahren nahm er das Leben der Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick. Eine herausragende Arbeit aus dieser Zeit ist die farbintensive Bildstrecke Action Theater, die in der Anmutung eines Roadmovies neben skurrilen Alltagssituationen die Tristesse des urbanen Lebens zeigt.

Die aus einem gewaltigen und teils noch unveröffentlichten Archivbestand entwickelte Ausstellung präsentiert mit Dirk Reinartz einen Fotografen, dem ein Platz in der ersten Reihe der großen deutschen Reportage- und Dokumentarfotografen des 20. Jahrhunderts gebührt.

Fotografischer Nachlass

Der fotografische Nachlass von Dirk Reinartz wurde 2021 an die Deutsche Fotothek in Dresden und die Stiftung F.C. Gundlach in Hamburg übergeben. Seither wird er systematisch erfasst und erforscht, um ihn einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er umfasst etwa 370.000 Negative, rund 100.000 Dias sowie mehr als 10.000 Abzüge und zahlreiche Dokumente, darunter Briefe und Notizen. Der Bestand wird sukzessive online zugänglich gemacht.

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